Redebeitrag: Die AfD und Antisemitismus

Auf der Großdemonstration der Kampagne „Solidarität statt Hetze“ am 22.04. in Köln gegen den AfD-Bundesparteitag hielten wir folgenden Redebeitrag:

Einleitung

Wenn die Inhalte der AfD kritisiert werden, so fallen häufig die Worte sexistisch, nationalistisch und rassistisch. Seltener fällt der Begriff antisemitisch. Der Vorwurf des Antisemitismus in der AfD wird dann oftmals an zwei bekannten Fällen festgemacht, dem baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon, der offen antisemitische Thesen vertritt. Und dem thüringischen AfD-Fraktionschef Björn Höcke, der in einer Rede das Denkmal der ermordeten Juden Europas als „Denkmal der Schande“ bezeichnete. Im Gegensatz zum Sexismus, Nationalismus oder Rassismus, lässt sich der Antisemitismus der AfD auch nicht direkt in ihren Wahlprogrammen oder auf ihren Plakaten ausmachen. Umso verwirrender erscheint es, dass sich immer wieder AfD-Vertreter*innen mit Israel-Fahnen schmücken oder zuletzt die Vorsitzende Petry die AfD als „politischen Garant jüdischen Lebens“ überschätzte.
Und so stellten sich schon einige Journalist*innen die Frage, ist die AfD jetzt antisemitisch oder nicht? Vielen Vertreter*innen der linksliberalen Presselandschaft mag bei der Beantwortung der Frage die Sehnsucht helfen, dass, wenn es ihnen gelänge, den Antisemitismus der AfD „zu beweisen“, diese in Deutschland unwählbar wäre. Warum dieses Vorgehen zum Scheitern verurteilt ist, wollen wir im Folgenden klären:

Antisemitismus und Rechtspopulismus

Fest steht, die AfD zieht Antisemit*innen an, wie Motten das Licht. Die Liste der Kreisverbände und Lokalpolitiker*innen, die durch antisemitische Äußerungen, die Relativierung der Shoa oder durch allerlei Suggestivfragen a la „Qui bono“ aufgefallen sind, ließ sich nach den vier Jahren, seit denen die Partei besteht und in den sozialen Netzwerken aktiv ist, mittlerweile endlos fortsetzen. Um die Gründe dafür zu begreifen, reicht es allerdings nicht, sich mit den Eskapaden ihrer einzelnen Mitglieder auseinanderzusetzen und dort nach vermeintlichen Beweisen zu suchen. Die würden der daraufhin zurückrudernden AfD im Zweifel nur die Aufmerksamkeit der bundesweiten oder gar internationalen Presse liefern. Vielmehr muss man die AfD als Teil der autoritären Formierung betrachten, die wir allgemein als Rechtsruck bezeichnen und sich im Rahmen dessen mit dem autoritären Charakter ihrer Akteur*innen auseinandersetzen.
Die AfD lässt sich zurecht als parlamentarischer Arm des Rechtsrucks in der BRD bezeichnen. Sie ist damit Teil einer autoritären Formierung, die bereits weite Teile der „westlichen“, spätkapitalistischen Nationen erfasst hat. Die Rechtspopulist*innen und ihre Wähler*innen geben sich dabei den Anschein des Wiederständigen gegen eine Gesellschaft, „in der etwas schief läuft“. In Wirklichkeit sind sie aber Teil einer konformistischen Rebellion. Ihnen geht es nicht um eine Kritik der Herrschaft an sich, sondern sie fordern von ihr neue Stärke und härteres Durchgreifen.
Sie fordern höhere Grenzzäune, mehr Polizist*innen und härtere Bandagen im Kampf gegen die letzten Reste der bundesdeutschen Sozialpolitik. Die Wahl des US-Präsidenten Donald Trump, der von vielen als „starker Mann“ gefeiert wurde und der es gleichzeitig schaffte, seine Wahl als Widerstandsakt zu verkaufen, ist dafür ein gutes Beispiel. Genauso wie die Begeisterung vieler AfDler*innen für das von Putin autoritär regierte Russland. Wenn die AfD sich also anschickt „Rechtsstaat“ und „christlich-jüdische“ Werte zu verteidigen, dann meint sie damit nicht die Verteidigung vermeintlich liberaler Inhalte, sondern deren autoritäre Zuspitzung.
Genau diese Eigenschaften zeigen, dass es sich bei den Anhänger*innen der AfD sowie ihres jeweiligen internationalen Pendants um Persönlichkeiten handelt, die sich als „Autoritärer Charakter“ beschreiben lassen. Solch autoritätsgebundene Subjekte reagieren auf tatsächliche oder vermeintliche gesellschaftliche Umbrüche und die Erkenntnis ihrer eigenen Abhängigkeit mit einfachen Erklärungsmustern, Antisemitismus und Paranoia. Auch wenn offener, plumper Antisemitismus von Teilen der AfD nicht gern gesehen wird, so zeigen doch die Theorien von einer gelenkten Presse und von allerlei anderen Verschwörungen gegen die AfD, wie anfällig sie dafür ist. Bei der sogenannten Neuen Rechten hat deshalb auch keineswegs der Hass auf Muslime den Antisemitismus abgelöst, wie einige „Linke“ mit Blick auf die nach außen getragene Israelsolidarität der AfD behaupten. Denn die Solidarität, der regelmäßig nach Israel reisenden Beatrix von Storch, ist keine mit dem jüdischen Staat an sich, sondern mit einem imaginierten Partner im Kampf gegen den Islam.
Ein Glück, dass Israel im Kampf gegen islamistische Terrorbanden auf die Solidarität der Enkelin des letzten Reichsfinanzministers verzichten kann, die schon in ihrer Studienzeit keine größeren Sorgen als die verlorenen Familiengüter im Osten hatte. Ähnliches zeigt sich, wenn die AfD versucht, Antisemitismus zu kritisieren und sich zum Beschützer der in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden stilisiert. Dann nämlich bezieht sich die Partei ausschließlich auf den sogenannten muslimischen Antisemitismus und ignoriert den der Mehrheitsgesellschaft, der hierzulande immer noch die größere Bedrohung darstellt.

Antisemitismus ist ein gesamtdeutsches Problem

Der AfD Antisemitismus vorzuwerfen, sollte also kein großes Problem sein. Dass das Scheitern der Entzauberungs-Strategie der deutschen Medienlandschaft trotzdem vorprogrammiert ist, liegt eher daran, dass sie ignoriert, wie weit Antisemitismus in Deutschland verbreitet ist. Zahlreiche Statistiken belegen, dass antisemitische Aussagen von großen Teilen der deutschen Gesellschaft geteilt werden. Deshalb schaden antisemitische Äußerungen und die Forderung nach einem Schlussstrich unter der deutschen Geschichte der AfD nicht, solange sie nicht rechtlich relevant werden. Und da die bundesdeutsche Justiz sich bereits einig scheint, dass es nach 1945 ohnehin keine Antisemit*innen in Deutschland gibt, gelingt es der AfD durch diese Aussagen und das anschließende Zurückrudern, Antisemit*innen aller Couleur zu befriedigen. Von völkischen „Protokolle von Zion“-Leser*innen, bis hin zu bis hin zu sich hinter Suggestiv-Fragen versteckenden Konservativen.

Unsere Antwort lautet…

Unsere Antwort kann also nicht die Entzauberungsstrategie der linksliberalen Presse sein. Nein, uns muss es um einen konsequenten Kampf gegen den Antisemitismus an sich gehen. Das psychische Schema des autoritären Charakters tritt nicht rein zufällig auf. Sondern es ist eng verwoben mit der zunehmenden Vergesellschaftung und Entindividualisierung des Einzelnen durch das, was wir Kapitalismus nennen. Deshalb kann es für uns, emanzipatorische Kräfte, nur den Kampf für eine befreite Gesellschaft frei von diesen Zwängen geben. Bis dieser Zustand erreicht ist, kämpfen wir gegen Antisemit*innen aller Richtungen, selbstverständlich auch die der AfD, und zeigen uns solidarisch mit den von ihnen bedrohten.

Gegen jeden Antisemitismus! Nieder mit Deutschland und für den Kommunismus!