Fight Fortress Europe!

An Europas Außengrenzen wird ganz konkret deutlich, was die autoritäre Formierung bedeutet. Mit Tränengas und scharfer Munition wird auf die geschossen, die dem Elend der Stellvertreterkriege in Syrien, geführt von Sklavenhalterstaaten, entfliehen wollen. Autoritäre Formierung heißt hier, das Grundrecht auf Asyl mit Mord und Tränengas zu beantworten! Ja, es heißt mit Tränengas auf Kinder zu werfen!

Auf der einen Seite Assads Regime, gestützt durch die russische Despotie, auf der anderen Seite islamistische Milizen, unterstützt durch Erdoğans Kalifat. Seit dem Rückzug amerikanischer Truppen und der gewaltsamen Zerschlagung Rojavas durch Islamist*innen scheint jede Hoffnung auf Emanzipation in Syrien erloschen. In der Heise heißt es dementsprechend:

„Obgleich die türkische Regierung den Ansturm auf die Grenze aus politischem Kalkül organisiert und gewalttätige Anhänger zudem unter Migranten Furcht und Schrecken verbreiten, indem sie diese angreifen und jagen, kuscht die deutsche Regierung und stellt sich hinter den türkischen Präsidenten. Man klebt weiter an dem Flüchtlingsdeal, den Erdogan jetzt offen gebrochen hat, um die EU zu erpressen und sein Kriegsabenteuer in Idlib voranzutreiben.“

Währenddessen tauchen erste Videos im Netz auf die darüber hinaus bestätigen, dass es in der Türkei unter anderem zu rassistisch motivierten Angriffen auf von Geflüchteten betriebene Läden kommt. Ganz vorne dabei sind unter anderem die Grauen Wölfe, türkische Faschist*innen.

Der deutsche Imperialismus trägt für das an den Grenzen und in der Türkei nun stattfindende „Unaussprechliche“ und Vorhersehbare seine Schuld als Mittäter. Jahrelanges Appeasement und Hofieren des Erdoğan-Regimes und damit auch Wegschauen, während die Türkei gewaltsam ihre geopolitischen und ideologischen Ziele in Syrien durchdrückt, sind unter anderem die Saat dessen, was jetzt an Widerwärtigkeiten passiert.

Die Linke Syriza Partei, welche vor kurzem in Griechenland abgewählt wurde konnte kaum eines ihrer sozialpolitischen Ziele erfüllen und musste auf Druck der deutschen Politik allerlei Zugeständnisse machen. Mit dem Regierungswechsel in Griechenland und der Wahl einer konservativen Regierung sind nun die Auswüchse dieser unter anderem deutsch-imperialistischen Politik zu betrachten, die sich z.B. noch vor kurzem in dem gewaltsamen Einmarschieren griechischer Polizist*innen in das autonome Viertel Exarchia, in dem auch unzählige Geflüchtete Zuflucht finden, zeigte.

Der Klimax ist nun endgültig erreicht, wenn in Griechenland auf Geflüchtete von rassistischen Grenzbeamt*innen geschossen wird! Ahmed Abu Emad aus Aleppo wurde um 9.07 Uhr bei seinem Versuch, dem Elend zu entfliehen, ermordet, wie es der BBC Reporter Mughira Al Sharif bestätigte. Wie so häufig kommt die Aufrechterhaltung des status quo gerade denen zu schaden, die ohnehin Angst um ihre nackte Existenz haben und mit diversen Traumata währender ihrer Flucht konfrontiert werden. Im Februar diesen Jahres gab Thomas von Osten Sacken in einem Artikel auf „Mena Watch“ bereits bekannt, dass im Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos Seuchengefahr herrschen würde. Bereits 2018 mussten jesidische Frauen weiterhin in griechischen Lagern die Anwesenheit islamistischer Täter ertragen, vor denen sie zuvor geflohen waren. Den Fakt außer Acht lassend, dass jesidische Frauen vom noch damals in Syrien kämpfenden IS als Sklavinnen gehalten wurden, gab die EU der Bitte nicht statt, die Jesid*innen nach Portugal auszusiedeln. Wer angesichts dieser Tatsachen noch von den sogenannten Menschenrechten der EU daherfaselt, scheint vollkommen desillusioniert zu sein. Sogenannte „humanitäre Politik“ der EU und vor allem Deutschlands soll die konservative, „bürgerliche“ und rassistische Wähler*innenschaft befrieden, damit diese nicht noch weiter nach rechts abdriftet. Bestes Beispiel für den gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck bietet hierfür ein alter und neuer Kanzleranwärter der CDU, welcher allen Ernstes der Ansicht ist Nazis durch die Bekämpfung sogenannter Clankriminalität und schärfere Grenzkontrollen zu bekämpfen. Das nationalkonservative Nachrichtenportal des russischen Autokratenstaates zelebriert Merz derweil als „Materialisten“ und erklärt damit Rassismus als Nebenwiderspruch, während man auch innerhalb Deutschlands, wie in Syrien versucht Einfluss zu nehmen. In der BRD häufig auch durch Parteinahme für die AfD. Auch das heißt autoritäre Formierung. Angesichts dieser Zustände könnte man Angela Merkel fast schon als Humanistin wahrnehmen, aber bereits 2018 legten wir den Finger in den wunden Punkt:

Die „Anführerin der westlichen Welt“ Angela Merkel holte den Europäischen Rat zusammen, der sich auf Massenlager in nordafrikanischen Staaten, mehr Geld für den Autokraten Erdogan und Inhaftierungslager für Geflüchtete innerhalb der EU verständigte. Aber wie sieht eigentlich so ein Massenlager in einem nordafrikanischen Staat aus? In Libyen wurden Milizen von der EU ausgebildet, die von der Bundesregierung nun als „Küstenwache“ bezeichnet werden. Das erklärte Ziel: „Das Geschäft der Schleuser zu beenden“. Die bittere Realität: nationalistische, rassistische Abschottung, tödliche Ausgrenzung. Die schon länger vollzogene Vorverlagerung von Europas Grenzen bis in die afrikanische Wüste bedeutet nur eine weitere Brutalisierung der Flucht. In den Lagern wird gefoltert, ermordet, vergewaltigt und mit den Menschen gehandelt, die es nicht auf das Mittelmeer geschafft haben und nicht in der Wüste verdurstet sind. „Humanität und Ordnung“ also. Und somit ein deutliches Zeichen des Rechtsrucks.

Unsere Solidarität gilt den Angehörigen von Ahmed Abu Emad und allen anderen Geflüchteten. Reißt die Zäune ein – Die Festung Europa muss fallen!

 

Quellen:
 
 
 
 

Staatsfragen. Einführung in materialistische Staatskritik mit Moritz Zeiler

Vortrag & Diskussion: Staatsfragen. Einführung in materialistische Staatskritik mit Moritz Zeiler

Donnerstag, 27. Februar, Djäzz Jazzkeller, Börsenstraße 11, Duisburg (Mitte) 19:30 Uhr

Ankündigungstext:

Die Analysen des Staates gehen in der Linken weit auseinander. Das Spektrum der Interpretationen reicht von der Idealisierung bis zur Dämonisierung, die Forderungen von der Übernahme des Staates bis zu seiner Abschaffung. Während der Staat für die einen als Garant des Allgemeinwohls gilt, betrachten ihn andere als das Instrument der kapitalistischen Klassenherrschaft und wieder andere sehen in ihm das Terrain sozialer Kämpfe. In seiner Einführung präsentiert Moritz Zeiler die zentralen Thesen marxistischer Theorie zum Staat: Die fragmentarischen Überlegungen bei Marx und Engels, die instrumentelle Staatstheorie bei Lenin, die Hegemonietheorien des Westlichen Marxismus von Gramsci, Althusser und Poulantzas sowie die Analysen von Paschukanis zum Verhältnis von Warenform, Rechtsform und Staatsform und später daran anknüpfende Arbeiten von Agnoli, Hirsch, Holloway und anderen. Zuletzt wird diskutiert, dass die Linke kein Monopol auf die Kritik des Bürgerlichen Staates besitzt. Angriffe auf bürgerliche Rechte und parlamentarische Demokratie aus konservativen bis faschistischen Kreisen sind keine reinen Krisenphänomene, sondern stellen die Linke permanent vor Herausforderungen.

Moritz Zeiler hat Geschichte und Politikwissenschaften studiert. Veröffentlichungen: Materialistische Staatskritik. Eine Einführung, Stuttgart 2017 sowie zusammen mit associazione delle talpe Herausgabe der Textsammlung Staatsfragen. Einführungen in die materialistische Staatskritik, Berlin 2009 sowie Maulwurfsarbeit I-IV, Berlin/Bremen 2010-2018.

Staat und Parteien sind ein Teil des Problems: Parteizentralen von CDU NRW und FDP NRW markiert

Dieser Text wurde uns anonym zugeschickt. Die Veröffentlichung dient dem Dokumentationszweck.

Dammbruch für die parlamentarische Demokratie? Durch die Wahl um den von Faschist*innen, Konservativen und Liberalen ins gewählten (ehemaligen) Thüringer Ministerpräsidenten Kemmerich ist vielleicht ein Dammbruch für den Parlamentarismus entstanden, doch die deutsche Mehrheitsgesellschaft, ihre Parteien, der Staat und seine Institutionen sind auch nach der Empörung keine Brandmauer gegen rechte Ideologien. Der gemeinsame Nenner aller Parteien heißt weiterhin: Antikommunismus, Staatsfetisch und Hufeisen-Theorie.

Die Vorgänge um die Wahl von Kemmerich sind auch für uns als radikale Linke von großer politischer Bedeutung. Die Damm- und Tabubrüche sind jedoch viel weiter in der Vergangenheit zu suchen. Die Folgen einer zunehmend autoritären Politik für durch die deutsche Gesellschaft diskriminierte und unterdrückte Gruppen vollziehen sich spätestens seit der Wiedervereinigung in rasantem Tempo. Lichtenhagen, Solingen, Mölln und die folgende faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl (mit Unterstützung der selbsternannten Antifaschist*innen der SPD), das NSU-Netzwerk, dass nur mit Hilfe des deutschen Staates und seiner institutionell rassistischen Behörden über Jahrzehnte dem Auge der Öffentlichkeit entgangen ist und das kollektiv organisierte Vergessen deutscher Beamter im Postnazismus: Die historischen Linien und vom Staat organisierten und getragenen Tabubrüche vollziehen sich für Marginalisierte und Linke seit der Gründung der Bundesrepublik.

Der Dammbruch im Parlamentarismus hat sich abgezeichnet

In den vergangenen Jahren gab es tausende rassistisch motivierte Anschläge auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte, die der Staat mit dutzenden Asylrechtsverschärfungen beantwortet hat. Die Statistiken von rechten Gewalt sind in die Höhe geschossen, während die Polizei zahlreiche Fälle gar nicht in die Statistiken aufnehmen. Die Wahl der AfD in Landesparlamente und den Bundestag sind zwar unter bis heute anhaltenden Protesten von Statten gegangen. Der Staat und seine Parteien sehen sich jedoch den Narrativen des Völkischen verpflichtet. Walter Lübcke wurde ermordet, der rechtsterroristische, antisemitische Anschlag in Halle haben erneut weitere innenpolitisch-autoritäre Gesetzesverschärfungen mit sich gebracht, die sich nach der Hufeisen-Theorie auch gegen uns und alle Marginalisierten richten, die tatsächlich Antifaschismus organisieren. Der Diskurs ist durch die AfD und ihre ideologischen Vordenker*innen aus Schnellroda massiv nach rechts gerückt, unter Beifall und tatkräftiger Mitwirkung bis in die Linkspartei (Wagenknecht) hinein. Selbst NPDler in hessischen Vororten werden ohne zu zögern in Ämter gewählt. Die AfD arbeitet seit Monaten auf kommunaler Ebene mit allen Parteien zusammen.

In diesem Kontext erscheint die Wahl von Kemmerich, die daraus resultierenden Vorgänge und Narrative von Konservativen und Liberalen nicht als Dammbruch, sondern als sich eine abzeichnende Konsequenz der politischen Annäherung und Diskursverschiebung. Warum also sollte dieser neuerliche parlamentarische Ablauf auf Landesebene politische Konsequenzen nach sich ziehen? Die Diskursverschiebung ist von den politischen Entscheidungen bis hin zur Beteiligung der Grünen bei Hau-Ab-Gesetzen im Bundesrat getragen.

Keine Opfer, sondern Täter*innen!

Die nun folgenden Proteste müssen für uns als radikale Linke Konsequenzen haben. Seit dem im „Aufstand der Anständigen“, der organisierte Antifaschismus der 68er in weiten Teilen im bürgerlichen Staat aufgelöst wurde, sind Konservative, Liberale und Sozialdemokrat*innen aus dem antifaschistischen Fokus nahezu verschwunden. Wenn wir die AfD und ihre Handlanger zurückdrängen wollen, müssen sich unsere Aktionen verstärkt an die staatstragenden Parteien richten. Besonders im staatlichen Gewaltmonopol vollzieht sich der Rechtsruck am machtvollsten: paramilitärisch organisierte Bundeswehrsoldaten und Polizeibeamte, rassistische Ausländerbehörden, sozialchauvinistische Jobcenter, rechtsradikale Präsidenten des Verfassungsschutzes und ihre politischen Entscheider*innen sind ein Teil des Problems. Sie sind am deutschen Nationalismus ausgerichtet. Keine Reform wird diese Ausrichtung ändern. Der deutsche Staat als solcher ist der völkischen Ideologie anhängig und muss von uns bekämpft werden.

 

Durch die Markierung der Parteizentralen machen wir darauf aufmerksam, dass wir als radikale linke Gruppe den Kampf gegen die AfD nicht länger auf eine Partei beschränken können. Wir rufen dazu auf, besonders CDU und FDP in den Fokus antifaschistischer Aktionen und radikal linker Kritik zu rücken. Entgegen der aktuell anhaltenden medialen Berichte, in denen sich FDPler*innen als Opfer von antifaschistischen Aktionen inszenieren, wollen wir zudem deutlich machen: Sie sind keine Opfer, sondern Täter*innen! Schon der Blick darauf, wie viele Nazis seit dem Sieg der Allierten über den Nationalsozialismus in der FDP untergekommen sind, zeigt, dass die Opferrolle der FDP vor allem darauf abzielt Repressionen gegen Linke zu forcieren. Die Manifestierung des Kapitalismus und des bürgerlichen Staates im Postnazismus durch die staatstragenden Parteien wie die FDP, produziert jeden Tag Tod und Gewalt: Ob durch Kapitalakkumulation entstehende ausbeuterische Lieferketten in der Textilproduktion, repressive Hartz-Gesetze, Polizeibeamte, die Migrant*innen und psychisch Erkrankte ermorden, durch rechte Terroristen, die vom Verfassungsschutz finanziert Anschläge begehen oder durch die Unterstützung von islamistischen Staatspräsidenten, die alle Ansätze von emanzipatorischen Projekten im Nahen Osten in einem ethnischen Säuberungskrieg beseitigen wollen. Unsere Aktionen sind eine Reaktion auf diese Taten. Wenn Gewalt kein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung sein darf, warum wird sie dann jeden Tag vom deutschen Staat eingesetzt, um politische Interessen im Sinne von Kapital und bürgerlichem Staat durchzusetzen?

Wir sagen deshalb: Get Organized – Support Your Local Antifa-Group – der Staat ist Teil des Problems!

Fotoquelle: Infozentrale (www.twitter.com/infozentrale)

Vortrag: Emanzipatorische Praxis benötigt dialektisches Denken von Alex Demirović

Di., 28. Januar, AStA Keller Duisburg, 19:00 Uhr: Vortrag & Diskussion: Emanzipatorische Praxis benötigt dialektisches Denken von Alex Demirović

Dialektik gilt als schwierig, als ein einschüchternder und anstrengender philosophischer Begriff. Deswegen wurde und wird in der Linken auf ihn verzichtet; manche kritische Autoren haben sich geradezu dem Bezug auf Dialektik entgegengestellt. Im Vortrag wird die These vertreten, dass dieser Verzicht die emanzipatorische Erfahrung der Wirklichkeit und des Denkens blockiert.
Denn es geht bei Dialektik nicht um philosophisches Seminarwissen. Das Verständnis von Dialektik hilft, Widersprüche wahrzunehmen und sie in ihrer Dynamik genauer zu verstehen. Der Begriff der Dialektik erweist sich als notwendig, die schnellen Veränderungen in kapitalistischen Gesellschaften, die plötzlichen Verdichtungen der Kräfteverhältnisse zu begreifen. Schließlich macht er es möglich, die Bereichslogiken des Kapitalismus (z. B. Warenproduktion, Finanzkapital, ökologische Krise, Geschlechterverhältnisse, Rassismus) in ihrem Zusammenhang zu denken und so – anders als in der Linken vielfach üblich – den Kapitalismus als ein Ganzes zu kritisieren.
Anschließend werden wir gemeinsam diskutieren.

+++ Wie immer gilt: If you are racist, antisemitic, sexist, homophobic, don’t come in or we’ll kick you out +++

Veranstaltungsreihe Critique & Solidarity

2019 war insgesamt ziemlich beschissen? Wir haben da was, worauf ihr euch 2020 freuen könnt: Die Veranstaltungsreihe Critique & Solidarity
 
 
 
Der Rechtsruck und die autoritäre Formierung schreiten weiter voran. Die Polizeigesetze in NRW und anderen Bundesländern wurden massiv verschärft, rassistische und damit potentiell tödliche Polizeigewalt ist die Regel und nicht die Ausnahme. Der Staat vertuscht die Aufklärung und schützt sich so vor politischen Konsequenzen, während Antifaschist*innen mit massiven Repressionen überzogen werden. 
Antisemitische, frauenfeindliche, rassistische und sozialchauvinistische Hetze, Morddrohungen, Brandanschläge, Übergriffe und Terroranschläge nehmen zu – mit ermöglicht durch die Brandstifter*innen aller Parteien, und an erster Stelle der AfD. So sehr der Kampf gegen das Patriarchat über die vergangenen Jahre weltweit vereinzelte Errungenschaften hervorbrachte, wird der derzeitig geführte Abwehrkampf derjenigen, die sich nun um ihre Positionen gebracht fühlen, immer paranoider geführt und die Rückabwicklung dieser Erfolge durch die staatstragenden Parteien nun in viel kürzerer Zeit wahrscheinlich. 
Dieses Elend zeigt sich auch in den Kommunen und dabei ganz besonders in der Duisburger Stadtpolitik. Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link ist seit Jahren zusammen mit Polizei, Ordnungsamt und Hauseigentümer*innen sichtlich um die organisierte Vertreibung von Rom*nja aus Marxloh und Hochfeld bemüht. Auch die Ausrufung von „Gefahrengebieten“ und rassistischen Polizeikontrollen ist Ausdruck dieser Ausgrenzungsmechanismen. In Duisburg, wo früher Pro NRW und NPD Wahlerfolge eingefahren haben, wird nun überdurchschnittlich oft AfD gewählt. So bleibt auch der Ausblick auf die Kommunalwahlen im September 2020 düster und eine Verschärfung antiziganistischer Verdrängungspolitik unter dem zynischen Label von „Aufwertung und Integration“ wahrscheinlich. 
Hinzu gesellt sich ein weit verbreitetes Appeasement gegenüber der Militarisierung der Gesellschaft. Es herrscht weitgehend Gleichgültigkeit gegenüber den Giftgasanschlägen durch Assad gegen die Bevölkerung in Syrien, dem Angriffskrieg des NATO-Mitglieds Türkei gegen die demokratische Selbstverwaltung Rojava, den tödlichen Konsequenzen der Abschottungspolitik der Festung Europas und nicht zuletzt gegenüber den Raketenangriffen gegen den jüdischen Staat Israel und seine Bewohner*innen. 
 
Was also ist die Alternative? Resignieren angesichts dieser beschissenen Zustände? Nein. Wir stehen den gesellschaftlichen Verhältnissen unversöhnlich gegenüber. Die Radikale Linke hat immer wieder gezeigt, dass wir den Feind*innen einer befreiten Gesellschaft nicht die Straße überlassen werden und für eine Welt ohne Nationalismus, Ausbeutung und Barbarei kämpfen. Mit der Gründung von RiseUp ist die antifaschistische Linke in Duisburg um eine entschlossene Mitstreiterin im Kampf gegen Neonazis, selbsternannten Bürgerwehren und die AfD reicher geworden. Größere lokale und überregionale Vernetzungen sind erste Schritte auf dem Weg zur Re-Organisierung breiterer radikal linker Strukturen. Sich neu gründende Antifa-Gruppen, praktische Solidarität im Umgang mit Repressionen, eine Bewegung für die Organisierung von Seenotrettung im Mittelmeer, der teilweise antikapitalistisch geführte Kampf gegen den Klimawandel von Ende Gelände bis Fridays for Future,die Mobilisierung tausender Frauen und Queers beim dezentralen Streik zum Frauenkampftag aber auch die Protestbewegungen in Chile, Irak, Iran, Hongkong oder Frankreich machen Hoffnung. Warum also jetzt diese Veranstaltungsreihe? Haben wir etwa nichts Besseres zu tun?
 
Auch wenn wir uns immer wieder mit dem richtigen Verhältnis von Theorie und Praxis schwer tun, so sind wir davon überzeugt, dass es nicht ausreicht, wenn wir den Faschos in unseren Stadtteilen oder in den Nachbarkäffern die Stirn bieten und angreifen. Wir sind davon überzeugt, dass wir nur mit einer radikalen materialistisch-feministischen Gesellschaftsanalyse die bestehenden ausbeuterischen Herrschaftsverhältnisse angreifen und emanzipatorische Veränderungen mit hervorbringen können. Dazu gehört eine grundlegende Kritik dieser patriarchalen, ökonomischen und rassistischen Verhältnisse und ihrer wechselseitigen Bedingtheiten, ihrer Begriffe und Institutionen, ihrer historischen Gewordenheit aber auch Veränderbarkeit. Und dabei gibt es nichts zu beschönigen: Die gesellschaftlichen Voraussetzungen faschistischer Bewegungen bestehen fort. Regressive Kapitalismuskritik betrachten wir dabei nur als die andere Seite dieser Medaille. Eine selbstbewusste und organisierte radikale Linke, die sich einer Geschichtsvergessenheit verwehrt und sich aber auch ‚von der eigenen Ohnmacht nicht dumm machen lässt‘ (frei zitiert nach Adorno), die also einen radikalen Bruch mit den Verhältnissen forciert ohne dabei autoritären Phantasmen hinterher zu jagen, ist daher notwendiger denn je. Denn wir wollen nicht weniger als radikalen Wandel und eine Aufhebung der jetzigen Zustände.
 
Wenn wir diese kapitalistisch-patriarchalen Verhältnisse aber überwinden wollen, müssen wir entlang der Kritik dieser Vergesellschaftungsformen uns unserer eigenen gesellschaftlichen Positioniertheit in unseren alltäglichen Auseinandersetzungen bewusst werden und diese als gemeinsame politische Kämpfe verstehen. Mit diesem politischen Bewusstsein lassen sich die Widersprüche gesellschaftlicher Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen sichtbar und verstehbar machen und über Unterschiede hinweg als gemeinsame Klassenposition begreifen. Denn wenn eins klar ist, dann dass auf die staatlichen Institutionen kein Verlass ist. Daher können wir gegen die ausbeuterischen Zumutungen von Patriarchat und Lohnarbeit nur mit solidarischer, kollektiver, feministischer und nachhaltiger Selbstorganisierung und Selbstverwaltung Widerstand leisten und für emanzipatorische Veränderungen kämpfen. Durch diese solidarischen Praktiken können wir revolutionäre Perspektiven und Zwischenräume schaffen und verstetigen, in denen wir schon jetzt den autoritären Krisenlösungsstrategien und der Verrohung der Gesellschaft etwas entgegensetzen können. Perspektiven auf eine Gesellschaft also, in der alle Menschen ohne Angst verschieden sein können und in der ihre Bedürfnisse der Ausgangspunkt gesellschaftlicher Produktion und Reproduktion sind – für eine staaten- und klassenlose Gesellschaft und für den Kommunismus. 
 
Dafür müssen wir zusammen kommen und diskutieren, wie wir uns das befreite Leben für alle vorstellen. Wie können wir diese anderen Lebens- und Beziehungsweisen, frei von Ausbeutung, Unterdrückung und Ausschluss gestalten und was brauchen wir dafür? Was bedeutet das konkret schon heute für unsere Alltage und wie können wir verhindern, dass diese Kämpfe nicht in Vereinzelung, konkurrenzorientierter Selbstausbeutung und staatlichen Vereinnahmungen münden? Was können wir schließlich lernen aus den vergangenen, den gescheiterten und den erfolgreichen Kämpfen? Und welche Rolle kann dabei zum Beispiel ein neuer Klassenbegriff spielen? Die Veranstaltungsreihe soll diese Fragen aufgreifen und es ermöglichen, an jedem 4. Donnerstag im Monat (außer im Januar, da starten wir an einem Dienstag) unsere Kritik an den Verhältnissen zu schärfen, mit euch gemeinsam zu lernen, zu diskutieren, zu streiten und bereits für das Hier und Jetzt Perspektiven fernab von Verwertungslogik, Ausbeutung und Unterdrückung zu entwickeln. In dem ersten Teil der Veranstaltungsreihe wollen wir uns daher zunächst kritisch mit Kapitalismus als gesellschaftlichem Verhältnis aus verschiedenen Perspektiven auseinandersetzen, um dann darauf aufbauend Perspektiven zu entwickeln, wie wir aus den vergangenen Kämpfen lernen und uns das bessere Leben für alle erkämpfen können. 
Wir halten euch hier, bei facebook, twitter und insta über die anstehenden Veranstaltungen auf dem Laufenden. Kommt vorbei, es wird spannend!

Pressemitteilung zur 2. Rechtsrockparty in Moers am 12.10.19

Mit etwas Verspätung veröffentlichen wir an dieser Stelle unsere Pressemitteilung vom 9.10.19 zu der 2. Rechtsrockparty in Moers, die letztlich wegen baulicher Mängel des Veranstaltungsortes abgesagt werden musste. Der Bunte Stammtisch Moers führte anstelle der Demonstration eine Kundgebung durch, bei der an die Opfer des rechtsterroristischen Anschlags in Halle gedacht wurde.

Kampfsportverein „Muay Thai Duisburg“ lässt sich von Rechtsextremen sponsern – Rechtsextreme
versuchen sich in Moers zu etablieren – Gegendemonstration von Moerser Bürger*innen geplant

Am 12.10.2019 wird in Moers wohl zum zweiten Mal eine problematische Rechtsrockparty stattfinden, zu der insbesondere der in Moers, aber auch bundesweit bekannte Neonazi Kevin Giuliani eingeladen ist und Werbung für betreibt. Er selbst scheint einen heißen Draht zu der letzten Party-Location „Cobra“ zu haben, die ihm mehrere freie Eintrittskarten für sich und seine Freund*innen zusicherte.[i]
Der vorbestrafte Kevin Giuliani, der sich offenbar im Jahr 2003 an das Aussteigerprogramm Exit wendete[ii], für mehrere Jahre NRW verlassen hatte und im Jahr 2009 dann zurück an den Niederrhein nach Hoerstgen zog[iii], verwendet offensiv rechte Symboliken, nimmt bekannterweise an neonazistischen Veranstaltungen und Demonstrationen teil und ist Mitbegründer der „Volksgemeinschaft Niederrhein“, die in Hoerstgen aber auch darüber hinaus die Anwohner*innen terrorisieren.[iv]
Seit 2014 betreibt Kevin Giuliani mit seiner Ehefrau Lisa Giuliani ein Umzugsunternehmen unter dem Namen „Umzüge Möbel & Co“. Dabei wird lediglich Lisa Giuliani im Impressum benannt.[v] „Dabei handelt es sich aber nicht um ein normales Umzugsunternehmen, auch wenn durch den Betrieb versucht wird, sich einen bürgerlichen Anstrich zu geben“, erklärt Pressesprecherin Kim Marquardt von Crème Critique. „Umzüge Möbel & Co“ diene nämlich eben auch als Einnahmequelle für das neonazistische Paar und somit für die Nazistrukturen am Niederrhein.
Besonders problematisch wird es dann, wenn weitere lokale Firmen die Erzählung über ein unpolitisches Ehe-Paar am Niederrhein unterstützen, in dem sie sich von der Umzugsfirma sponsern lassen. Prominentestes Beispiel ist dafür der Kampfsportverein „Muay Thai Duisburg“, der sich von Giulianis Umzugsfirma sponsern lässt und sich auch nach Hinweisen auf die rechtsextremen Hintergründe des Sponsors nicht distanziert. Damit wird wissentlich in Kauf genommen, dass man bundesweit bekannten Neonazis mit dieser problematischen Kooperation zu einem vermeintlich bürgerlichen Auftritt verhilft. Es ist auch kein Geheimnis, dass die rechte Szene sich im Kampfsport zu etablieren versucht, sich dadurch aber auch zugleich auf Angriffe gegen Nicht-Deutsche oder vermeintlich Linke vorbereitet.[vi] Eine der letzten offiziellen Aktionen von Kevin Giuliani im Jahr 2011 war dann auch die Veranstaltung eines „Nationalen Sporttuniers“, das er damals als der Vertreter der NPD-Krefeld bewarb, dann aber aufgrund öffentlichen Drucks abgesagt werden musste.[vii]
Im August 2019 hat sich das Bündnis „Niederrhein gegen Rechts“ bereits mit einer Demonstration
gegen die Umtriebe des Neonazis in Hoerstgen positioniert. Ähnliches wird in Moers nun auch durch den „Bunten Stammtisch Moers“ vorangetrieben. Am 12.10.19 ist ab 18:30 eine Demonstration gegen die Rechtsrock-Party angemeldet, Treffpunkt ist am Synagogenbogen am Dieter-Hüsch-Platz. Hier finden Sie die facebook-Veranstaltung dazu: https://www.facebook.com/events/507740966724637/
Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die E-Mail-Adresse: creme_critique@aol.de

Viele Grüße
Crème Critique

[i] https://www.waz.de/staedte/moers-und-umland/partyhaus-cobra-in-moers-plant-party-mit-musik-rechter-bands-id226597885.html
[ii] https://taz.de/!654543/
[iii] https://www.nrz.de/staedte/moers-und-umland/neonazi-umtriebe-machen-den-bewohnern-von-hoerstgen-angst-id210555927.html
[iv] https://www.waz.de/staedte/moers-und-umland/buendnis-ruft-zur-demonstration-in-hoerstgen-gegen-rechts-id226729607.html
[v] https://www.akduell.de/home/hochschulpolitik/braun-sind-die-umzuege-moers
[vi] https://www.belltower.news/rechtsextremer-lifestyle-der-extrem-rechte-kampfsportboom-
80543/
[vii] https://antifaduisburg.noblogs.org/post/2011/04/04/den-teufel-mit-dem-beelzebub-vertreiben-oder-mit-militanten-neonazis-gegen-sexualstraftater/

5 Jahre NSU-Prozess – Kein Schlussstrich in München, Dortmund und anderswo!

5 Jahre NSU-Prozess – Kein Schlussstrich!

Am Tag der Urteilsvekündung im NSU-Prozess wollen wir mit euch in Dortmund auf die Straße gehen. Wir werden dafür eine Anreise aus Duisburg organisieren. Achtet auf weitere Ankündigungen! Aktuelle Infos findet ihr auf www.facebook.com/keinschlussstrichdortmund

Aufruf zur Demonstration in Dortmund am Tag der Urteilsverkündung im NSU-Prozess
Am 6. Mai 2013 begann vor dem Oberlandesgericht München der Prozess gegen Beate Zschäpe, André Eminger, Holger Gerlach, Ralf Wohlleben und Carsten Sch. Voraussichtlich im Sommer 2018 wird der Prozess nach über 400 Verhandlungstagen zu Ende gehen. Unabhängig davon, welchen Ausgang der Prozess nimmt: Für uns bleiben mehr Fragen als Antworten.

Elif Kubaşık, die Ehefrau des ermordeten Dortmunders Mehmet Kubaşık,sagte im November in ihrem Plädoyer im Prozess:
„Hier im Prozess sind meine Fragen nicht beantwortet worden: Warum Mehmet, warum ein Mord in Dortmund, gab es Helfer in Dortmund, sehe ich sie heute vielleicht immer noch, es gibt so viele Nazis in Dortmund, was wusste der Staat?“

Am Tag der Urteilsverkündung werden viele Menschen in München gemeinsam auf die Straße gehen. Auch als regionales Bündnis im Ruhrgebiet unterstützen wir den Aufruf. Mit denen, die nicht nach München fahren können, wollen wir jedoch auch in Dortmund auf die Straße gehen. Um zu zeigen, dass der NSU-Komplex noch lange nicht zu den Akten gelegt gehört.

Wir wollen wissen, wer für die Mordserie, die Anschläge und den Terror verantwortlich ist. Die Beschränkung der Bundesanwaltschaft auf das Trio Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe und ihr nächstes Umfeld ignoriert den Netzwerkcharakter des „Nationalsozialistischen Untergrunds“. Der NSU war keine isolierte Zelle aus drei Personen, der NSU war auch mehr als die fünf Angeklagten vor dem Oberlandesgericht. Nicht zuletzt die Arbeit der Nebenklage hat diese Grundannahme längst widerlegt. Ohne militante Nazi-Strukturen wie Blood and Honour, lokale Kameradschaften oder etwa den Thüringer Heimatschutz um V-Mann Tino Brandt und Ralf Wohlleben wäre der NSU wohl schwer möglich gewesen. Auch in Dortmund muss es Unterstützung durch die lokale Szene gegeben haben. Die Rechtsrockband „Oidoxie“ und Sänger Marko Gottschalk gelten als Bindeglied zwischen den Neonazistrukturen in Dortmund und in Kassel. In beiden Städten tötete der NSU Menschen – innerhalb von drei Tagen. Der Neonazi Robin Schmiemann stand während seiner Haft in Kontakt zur Hauptangeklagten Beate Zschäpe. Gottschalk und Schmiemann leben wieder unbehelligt in Dortmund, beide sind weiter in rechten Strukturen aktiv. Im Rahmen des Prozesses wurde Aufklärung allerdings konsequent unterbunden, auch durch die eng geführte Anklageschrift der Bundesanwaltschaft und die Weigerung, der Nebenklage komplette Akteneinsicht zu gewähren.

Es geht uns um die Entschädigung der Betroffenen, Überlebenden und Hinterbliebenen sowie die Würdigung ihrer Perspektive in der Debatte. Es war gerade auch das Umfeld der Mordopfer, das früh darauf bestand, eine rassistische Motivation für die Taten in die Ermittlungen einzubeziehen. Etwa auf den Schweigemärschen in Kassel und Dortmund, die unter dem Motto „Kein 10. Opfer!“ die Aufklärung der Mordserie forderten. Stattdessen richteten sich die Untersuchungen vornehmlich gegen das Umfeld der Opfer und Betroffenen. Immer wieder gerieten auch Hinterbliebene der Ermordeten ins Visier der Behörden. Aus der deutschen Mehrheitsgesellschaft konnten sie keine große Anteilnahme erwarten: als Menschen mit Migrationsgeschichte durften sie nicht einfach Opfer sein – etwas potentiell Kriminelles, irgendwie Gefährliches musste doch an ihnen haften. Dies zog sich wie ein roter Faden durch die Ermittlungen, sowohl bei den „Česká-Morden“ als auch bei den Anschlägen des NSU, etwa auf die Kölner Keupstraße, und das obwohl zum damaligen Zeitpunkt keinerlei Verbindung zwischen den Taten zu bestehen schien. Doch es gab diese Verbindung: die Ermordeten, die Verletzten, die Attackierten waren durch ihre Migrationsbiografie ins Visier des rassistischen Terrors geraten. Und es waren rassistische Ressentiments bei Polizei und Sicherheitsbehörden, welche die Ermittlungen in die Irre führten, es waren rassistische Klischees, die Presseberichterstattung und Öffentlichkeit dazu brachten, die fantastischen Erzählungen von mafiösen und kriminellen
Verstrickungen der Betroffenen zu verbreiten.

Wir müssen über Rassismus reden.
Rassismus ist ein gesellschaftliches Problem. Und das gilt wortwörtlich: Diese Gesellschaft hat ein Rassismusproblem, und zwar ein gewaltiges. Rassismus wird dabei fälschlicherweise oft nur bei klassischen Neonazis verortet. Ebenso findet sich Rassismus auch jenseits der sogenannten neuen Rechten, die sich hinter den Bannern von AfD, Pegida und Konsorten versammeln. Rassismus findet sich in Ämter- und Behördenpraxis, Polizeiarbeit, der Art wie gesellschaftliche Ressourcen und Teilhabe verteilt werden. Rassismus findet sich in marktschreierischen Wahlkampfauftritten wie auch in subtil und vornehm formulierten Leitartikeln. Rassismus zieht sich durch die ganze Gesellschaft: Weil die Gesellschaft, wie sie derzeit eingerichtet ist, Hierarchie, Ausbeutung und Ausgrenzung zwingend hervorbringt und legitimieren muss. Weil eine von Herrschaft durchzogene Gesellschaft, in der Ressourcen und Positionen ungleich verteilt und umkämpft sind, nicht allein durch den Bezug auf eine angebliche gemeinsame „Kultur“ zusammengehalten werden kann, sondern die Abwertung anderer „Kulturen“ benötigt. Weil die „eigene“ Identität stabilisiert wird, indem negative Elemente auf die Projektion der „Anderen“ abgewälzt werden.

Wir fordern die Abschaffung des Verfassungsschutzes.
Der Verfassungsschutz wusste nicht zu wenig, sondern zu viel. Das wurde bereits in den ersten Wochen nach der Selbstenttarnung des NSU deutlich. Doch während Image und Legitimität des Inlandsgeheimdienstes zumindest zwischenzeitlich Schaden nahmen und viele Stimmen bis weit ins bürgerliche Lager seine Abschaffung forderten, ging er letztlich doch unbeschadet aus der Affäre und steht mittlerweile wahrscheinlich sogar besser da als zuvor. Er konnte nicht nur seine gesellschaftliche Reputation wiederherstellen, sondern sogar seine Befugnisse ausweiten. Für uns ist die Sache jedoch nicht erledigt: Für uns bleiben Fragen: Fragen bezüglich der wiederholten, planmäßigen Vernichtung relevanter Akten; Fragen zur Rolle des Verfassungsschützers Andreas Temme, der sich im Internetcafé Halit Yozgats aufhielt, als dieser ermordet wurde, und angeblich nichts bemerkt haben will; Fragen zu V-Mann Piatto, der schon 1998 wichtige Hinweise über die untergetauchten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe weitergab; Fragen zu Ralf Marschner, der als V-Mann Primus im Kontakt mit den Untergetauchten gestanden haben soll. Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Im Kampf gegen rechte Strukturen schließen wir uns nicht den wiederkehrenden Rufen an, der Verfassungsschutz solle künftig bitte auch diese oder jene rechte Gruppe beobachten. Nazis sind auch ohne Gelder, Aufbauarbeit und logistische Unterstützung des Geheimdienstes gefährlich genug. Mindestens diese Lehre sollte aus dem NSU gezogen werden.

Wir wehren uns gegen rassistische Stimmungsmache und Gewalt.
Der NSU war nicht die erste Neonazi-Terrororganisation und es sieht auch nicht so aus, als sei er die letzte gewesen. In den letzten Monaten laufen und liefen mehrere Prozesse gegen Zusammenschlüsse wie die „Oldschool Society“ oder die „Gruppe Freital“. Daneben häufen sich die Meldungen von immer neuen Waffenfunden bei rechten Strukturen, immer neue gewaltbereite rechte Organisierungsansätze sprießen regelrecht aus dem Boden. Die Zahl der Brandanschläge und rassistischen Übergriffe ist in den letzten Jahren gravierend angestiegen. Und während sich der nette Herr von nebenan im Internet mit „Migrantenschreck“ genannten Schusswaffen eindeckt, legen die Entscheidungsträger_innen mit dem Abbau des Asylrechts und neuen Integrationsgesetzen vor, setzen Ausländerbehörde und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf Abschreckung, werden Sammelabschiebungen auf den Weg geschickt und Abschiebelager hochgezogen.

Nach fünf Jahren lässt sich ein frustrierendes Fazit ziehen.
Noch immer wird rechte Gewalt verharmlost, noch immer darf sich der Verfassungsschutz als Beschützer inszenieren, noch immer hat diese Gesellschaft Rassismus nicht überwunden, noch immer ist es nötig auf den institutionellen Rassismus in Deutschland hinzuweisen, wie das erst jüngst die UN und Nichtregierungsorganisationen getan haben und wie es Selbstorganisierungen von Betroffenen nicht erst seit gestern tun. Es wurden von Seiten der Mehrheitsgesellschaft keine erkennbaren Lehren aus dem NSU gezogen. Höchste Zeit also, dass sich das ändert. Initiativen wie „Keupstraße ist überall“ oder das „NSU-Tribunal“ und die zahlreichen Vereinigungen die lokal im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des NSU zusammen kamen, haben vorgemacht wie es geht.

In ihrem Plädoyer sagte Elif Kubaşik noch etwas: „Ich lebe in diesem Land, und ich gehöre zu diesem Land. Ich habe zwei Kinder in diesem Land zur Welt gebracht, und mein Enkel Mehmet ist hier zur Welt gekommen. Wir sind ein Teil dieses Landes, und wir werden hier weiterleben.“

Familie Kubaşık und allen Betroffenen des NSU-Terrors gilt unsere Solidarität. Wir werden den NSU nicht zu den Akten legen!

Am Tag der Urteilsverkündung wollen wir mit euch in Dortmund auf die Straße gehen. Denn für uns bedeutet das Ende des Prozesses nicht das Ende der Auseinandersetzung mit dem NSU und der Gesellschaft, die ihn möglich machte:

Kein Schlussstrich! – NSU-Komplex aufklären und auflösen!
Verfassungsschutz auflösen – V-Leute abschaffen!
Dem aktuellen rassistischen Terror gegen geflüchtete Menschen und MigrantInnen entgegentreten!
Rassismus in Behörden und Gesellschaft bekämpfen!

Gedenkdemo: 25 Jahre Solinger Brandanschlag

Wir möchten an dieser Stelle auf die Gedenk-Demonstration am 26.5. in Solingen hinweisen. An diesem Tag versammeln wir uns anlässlich des 25. Jahrestages des Brandanschlags in Solingen, bei dem aus rassistischen Motiven fünf Menschen getötet wurden. Ein breites Bündnis linker und antirassistischer Gruppen veranstaltet daher am 26. Mai 2018 eine Gedenkdemonstration in Solingen-Mitte. Zu der Demo, die um 12.00 Uhr am Südpark startet, rufen auch zahlreiche Antifa-Gruppen und das Bündnis NIKA NRW auf. Hier findet ihr den NIKA-Aufruf: https://nationalismusistkeinealternative.net/25-jahre-solingen/

Wir hoffen, dass sich viele dieser Demonstration anschließen werden, um den Opfern des Rassismus zu gedenken und aktiv gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck einzutreten.

Für alle Interessierte bieten wir eine gemeinsame Anreise an. Der Treffpunkt ist um 9:45 am Haupteingang des Duisburger Hbf. Wir sehen uns dann!

Rede am 5.5. in Neumühl: Keine Grenzen für Kritik

An dieser Stelle möchten wir unsere Rede auf der antifaschistischen und feministischen Demonstration am 5.5.2018 in Duisburg-Neumühl veröffentlichen. Anlass für diese Rede war eine rassistische und antifeministische Demonstration von Pegida NRW und dem Bündnis „Mütter gegen Gewalt“ in Neumühl. Der Stadtteil kann eine Tradition rechter Mobilisierung vorweisen. Seit der Planung und Einrichtung der Landeserstaufnahmestelle in einem leerstehenden Krankenhaus in Neumühl, kam es immer wieder zu rechten Übergriffen, Kundgebungen und Demonstrationen, die sich eines hohen Zuspruchs der Neumühler*innen sicher sein konnten. Wir haben uns daher sehr über die Möglichkeit gefreut, unseren Gegenprotest in Neumühl auf die Straße tragen zu können. Verschiedene antifaschistische Aktionen der Vergangenheit haben gezeigt, wie empfindlich dort auf uns reagiert wird. Neben verschiedenen Redebeiträgen auf der Demo, die sich u.a. mit dem Antifeminismus und dem Phänomen der Maskulinisten auseinandersetzten, haben wir uns in unserer Rede für eine linke Kritik am Islam ausgesprochen:

Keine Grenzen für Kritik
In ihrer Geschichte war die europäische Linke schon immer begeistert von den Kämpfen ihrer Genoss*innen in der weiten Welt. Die westliche Linke der 68er beispielsweise unterstütze ihre „Genoss*innen“ gegen den Schah im Iran, gegen Militärdiktaturen in Südamerika oder gegen die Amis in Vietnam. Solidarität mit den „Unterdrückten“ war wichtig, ganz gleich wie krude die daraus entstandenen Allianzen waren.
Das hat sich gewandelt: Während Frauen in vielen Teilen der Welt gegen das islamische Patriachart kämpfen, schweigt der größte Teil der Linken in der BRD zum Islam. In Zeiten von Rechtsruck und AfD, haben viele Linke Angst, als Rassist*innen zu gelten, wenn sie sich nicht nur sporadisch mit christlichen „Fundis“ auseinandersetzen. Die Angst mit Pegida und AfD in einen Topf geworfen zu werden ist größer als der Anspruch sich gegen jede autoritäre Ideologie zu richten.
Schluss damit! Wir haben uns heute versammelt, um gegen das Patriarchat zu demonstrieren. Grenzenlos feministisch bedeutet für uns auch, unserer Kritik nicht aus falscher Scheu Grenzen zu setzen.

Linke Islamkritik unterscheidet sich fundamental von dem, was Pegida und Konsorten als solche bezeichnen. Sie ist Herrschaftskritik, denn Religionen sind, wie Marx es treffend formulierte, das Opium des Volkes. Sie wollen die unmenschlichen Verhältnisse, in denen wir leben, aushaltbar machen. Wir hingegen wollen sie ändern. Die Erfindung eines strengen Gottvaters im Islam ist Ausdruck des Bedürfnisses, sich zu unterwerfen und Verantwortung abzugeben, wie ihn autoritäre Charaktere zeigen. Der weibliche Körper und die Sexualität werden dabei besonders unterdrückt. Jede Abweichung von der Norm wird sanktioniert. Der Körper wird oft schon im Kindesalter sexualisiert und muss sich bedecken. Abweichungen von der Norm oder gar die Abkehr vom Islam hat in vielen Ländern lebensbedrohliche Konsequenzen. Dieser Barbarei sagen wir unseren Kampf an. Wer zur Unterdrückung von Frauen im Islam, zur Homophobie und Trans*feindlichkeit in muslimischen Ländern schweigt, macht die Opfer des Islams unsichtbar und verhöhnt die, die gegen ihn kämpfen. In vielen Teilen der Welt gehören Kopftuch- und Schleierzwang, Zwangsverheiratung, Steinigungen und Ehrenmorde zur Tagesordnung. Islamist*innen unterdrücken, ermorden und foltern dabei in allererster Linie vor allem die Menschen, die sie selbst für Muslima halten. Den Islam zu kritisieren bedeutet deshalb nicht rassistisch zu sein, sondern feministisch, antiautoritär und antifaschistisch. Es ist also nicht falsch den Islam zu kritisieren, sondern es nicht zu tun.

Warum rechte „Islamkritik“ zum Scheitern verurteilt ist:
Im öffentlichen Diskurs kommt „Kritik“ am Islam aber vor allem von rechts. Von Kritik im emanzipatorischen Sinne ist dabei allerdings nicht zu sprechen. Stattdessen werden rassistische Ressentiments propagiert und der gefährliche Islam einem vermeintlich demokratischen freien Abendland gegenübergestellt. Mit Begriffen wie Kultur wird versucht Rassismus zu verschleiern. Eine wirkliche Kritik an Homophobie, Sexismus, Antisemitismus und Autorität im Islam ist Rechten aber allein schon deshalb nicht möglich, weil ihre Schnittmenge zu fundamentalistischen Muslimen dafür viel zu groß ist.
Ähnlich wie im rechten Konzept der Volksgemeinschaft wird etwa auch im fundamentalistischen Islam Frauen vor allem die Verantwortung für den Erhalt und die Ausweitung der Umma zugesprochen.
Die Opfer der Unterdrückung im Islam sind in aller Regel nicht die, die sich vom ihm in Deutschland am stärksten bedroht fühlen. Verfolgt werden nicht die Mütter gegen Gewalt oder Pegida, sondern Muslima und Muslime. Der Islam stellt nicht selten direkt oder indirekt den Grund für die lebensgefährliche Flucht vieler Menschen dar. Grenzenlos feministisch bedeutet für uns deshalb auch, weiterhin für offene Grenzen zu demonstrieren.
Aber nicht nur die Opfer, auch die stärksten Gegner*innen des Islams sind die Menschen in muslimisch geprägten Regionen selbst. Grenzenlos feministisch zu sein bedeutete deshalb auch, sich solidarisch mit den Frauen zu zeigen, die gegen den IS kämpfen oder dem islamfaschistischen Regime im Iran die Stirn bieten.

Was zu tun ist:
Grade denen, die an scheinbar aussichtsloser Front gegen Faschismus und Patriachart kämpfen, schulden wir eine konsequente Auseinandersetzung mit der islamischen Ideologie. Während die Rechten ihren kulturellen Rassismus verstecken, in dem sie „christlich-abendländische“ Werte dem Islam gegenüberstellen und behaupten, er passe deswegen nicht hier hin, müssen wir Linke diese angebliche Kritik entzaubern. Als Kommunist*innen müssen wir klarmachen, dass weder das Christentum noch der Islam mit unserem Bild einer emanzipatorischen Gesellschaft vereinbar ist. Wir stehen an der Seite der säkularen Muslim*innen, der Ungläubigen und der Hedonist*innen.

Für eine befreite Gesellschaft! Für das Selbstbestimmungsrecht aller Frauen! Ohne patriarchale Zurichtung und ohne Rassismus!

Podium: „Perspektiven auf das NSU-Prozessende“

Kein Schlussstrich

» Podiumsveranstaltung zu antifaschistischen Perspektiven auf das NSU-Prozessende in München

Mit:
Initiative „Keupstraße ist überall“ & Antifa AK Köln

Nirgendwo lässt sich der gesamtgesellschaftliche Rassismus in Deutschland derart deutlich aufzeigen, wie an den Taten des NSU und deren Aufarbeitung. Voraussichtlich im Frühjahr 2018 wird nun der NSU-Prozess in München nach über 4 Jahren zu Ende gehen. Doch was bleibt vom Prozess in München am Ende übrig? Viele Beobachter*innen haben weiterhin mehr Fragen als Antworten zum NSU-Komplex. Die Größe des Unterstützer*innen-Kreises des NSU ist weiterhin so unaufgeklärt, wie die genaue Rolle des Verfassungsschutzes. Und der gesellschaftliche Rassismus, der sowohl die Taten des NSU ermöglichte als auch für die Ermittlungspraxen gegen die Familien der Ermordeten und der Betroffenen der Anschläge verantwortlich ist, war noch nicht mal ein Thema vor Gericht.

Von unseren Gästen aus Köln werden wir hören, wie sich in Köln Betroffene des NSU-Nagelbombenanschlages im Jahre 2004 zusammen mit Antifaschist*innen selber organisiert haben, um ihre Interessen vorzubringen. Sie werden von ihrer Arbeit berichten, von ihren Zielen aber auch von den Problemen, mit denen sie zu kämpfen hatten. Zusammen mit ihnen wollen wir über die Mobilisierung zu den Aktionen in München am Tag des Beginns der Urteilsverkündung sprechen. Dabei wollen wir die Frage diskutieren, wie in Zeiten des Rechtsrucks Links(radikale) und Betroffene von Rassismus gemeinsam handeln und Perspektiven jenseits von Rassismus aufzeigen können.

Fr 08.12.17 | AZ Mülheim

Einlass: 19:00 Uhr – Beginn: 19:30 Uhr – Eintritt frei