Staatsfragen. Einführung in materialistische Staatskritik mit Moritz Zeiler

Vortrag & Diskussion: Staatsfragen. Einführung in materialistische Staatskritik mit Moritz Zeiler

Donnerstag, 27. Februar, Djäzz Jazzkeller, Börsenstraße 11, Duisburg (Mitte) 19:30 Uhr

Ankündigungstext:

Die Analysen des Staates gehen in der Linken weit auseinander. Das Spektrum der Interpretationen reicht von der Idealisierung bis zur Dämonisierung, die Forderungen von der Übernahme des Staates bis zu seiner Abschaffung. Während der Staat für die einen als Garant des Allgemeinwohls gilt, betrachten ihn andere als das Instrument der kapitalistischen Klassenherrschaft und wieder andere sehen in ihm das Terrain sozialer Kämpfe. In seiner Einführung präsentiert Moritz Zeiler die zentralen Thesen marxistischer Theorie zum Staat: Die fragmentarischen Überlegungen bei Marx und Engels, die instrumentelle Staatstheorie bei Lenin, die Hegemonietheorien des Westlichen Marxismus von Gramsci, Althusser und Poulantzas sowie die Analysen von Paschukanis zum Verhältnis von Warenform, Rechtsform und Staatsform und später daran anknüpfende Arbeiten von Agnoli, Hirsch, Holloway und anderen. Zuletzt wird diskutiert, dass die Linke kein Monopol auf die Kritik des Bürgerlichen Staates besitzt. Angriffe auf bürgerliche Rechte und parlamentarische Demokratie aus konservativen bis faschistischen Kreisen sind keine reinen Krisenphänomene, sondern stellen die Linke permanent vor Herausforderungen.

Moritz Zeiler hat Geschichte und Politikwissenschaften studiert. Veröffentlichungen: Materialistische Staatskritik. Eine Einführung, Stuttgart 2017 sowie zusammen mit associazione delle talpe Herausgabe der Textsammlung Staatsfragen. Einführungen in die materialistische Staatskritik, Berlin 2009 sowie Maulwurfsarbeit I-IV, Berlin/Bremen 2010-2018.

Staat und Parteien sind ein Teil des Problems: Parteizentralen von CDU NRW und FDP NRW markiert

Dieser Text wurde uns anonym zugeschickt. Die Veröffentlichung dient dem Dokumentationszweck.

Dammbruch für die parlamentarische Demokratie? Durch die Wahl um den von Faschist*innen, Konservativen und Liberalen ins gewählten (ehemaligen) Thüringer Ministerpräsidenten Kemmerich ist vielleicht ein Dammbruch für den Parlamentarismus entstanden, doch die deutsche Mehrheitsgesellschaft, ihre Parteien, der Staat und seine Institutionen sind auch nach der Empörung keine Brandmauer gegen rechte Ideologien. Der gemeinsame Nenner aller Parteien heißt weiterhin: Antikommunismus, Staatsfetisch und Hufeisen-Theorie.

Die Vorgänge um die Wahl von Kemmerich sind auch für uns als radikale Linke von großer politischer Bedeutung. Die Damm- und Tabubrüche sind jedoch viel weiter in der Vergangenheit zu suchen. Die Folgen einer zunehmend autoritären Politik für durch die deutsche Gesellschaft diskriminierte und unterdrückte Gruppen vollziehen sich spätestens seit der Wiedervereinigung in rasantem Tempo. Lichtenhagen, Solingen, Mölln und die folgende faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl (mit Unterstützung der selbsternannten Antifaschist*innen der SPD), das NSU-Netzwerk, dass nur mit Hilfe des deutschen Staates und seiner institutionell rassistischen Behörden über Jahrzehnte dem Auge der Öffentlichkeit entgangen ist und das kollektiv organisierte Vergessen deutscher Beamter im Postnazismus: Die historischen Linien und vom Staat organisierten und getragenen Tabubrüche vollziehen sich für Marginalisierte und Linke seit der Gründung der Bundesrepublik.

Der Dammbruch im Parlamentarismus hat sich abgezeichnet

In den vergangenen Jahren gab es tausende rassistisch motivierte Anschläge auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte, die der Staat mit dutzenden Asylrechtsverschärfungen beantwortet hat. Die Statistiken von rechten Gewalt sind in die Höhe geschossen, während die Polizei zahlreiche Fälle gar nicht in die Statistiken aufnehmen. Die Wahl der AfD in Landesparlamente und den Bundestag sind zwar unter bis heute anhaltenden Protesten von Statten gegangen. Der Staat und seine Parteien sehen sich jedoch den Narrativen des Völkischen verpflichtet. Walter Lübcke wurde ermordet, der rechtsterroristische, antisemitische Anschlag in Halle haben erneut weitere innenpolitisch-autoritäre Gesetzesverschärfungen mit sich gebracht, die sich nach der Hufeisen-Theorie auch gegen uns und alle Marginalisierten richten, die tatsächlich Antifaschismus organisieren. Der Diskurs ist durch die AfD und ihre ideologischen Vordenker*innen aus Schnellroda massiv nach rechts gerückt, unter Beifall und tatkräftiger Mitwirkung bis in die Linkspartei (Wagenknecht) hinein. Selbst NPDler in hessischen Vororten werden ohne zu zögern in Ämter gewählt. Die AfD arbeitet seit Monaten auf kommunaler Ebene mit allen Parteien zusammen.

In diesem Kontext erscheint die Wahl von Kemmerich, die daraus resultierenden Vorgänge und Narrative von Konservativen und Liberalen nicht als Dammbruch, sondern als sich eine abzeichnende Konsequenz der politischen Annäherung und Diskursverschiebung. Warum also sollte dieser neuerliche parlamentarische Ablauf auf Landesebene politische Konsequenzen nach sich ziehen? Die Diskursverschiebung ist von den politischen Entscheidungen bis hin zur Beteiligung der Grünen bei Hau-Ab-Gesetzen im Bundesrat getragen.

Keine Opfer, sondern Täter*innen!

Die nun folgenden Proteste müssen für uns als radikale Linke Konsequenzen haben. Seit dem im „Aufstand der Anständigen“, der organisierte Antifaschismus der 68er in weiten Teilen im bürgerlichen Staat aufgelöst wurde, sind Konservative, Liberale und Sozialdemokrat*innen aus dem antifaschistischen Fokus nahezu verschwunden. Wenn wir die AfD und ihre Handlanger zurückdrängen wollen, müssen sich unsere Aktionen verstärkt an die staatstragenden Parteien richten. Besonders im staatlichen Gewaltmonopol vollzieht sich der Rechtsruck am machtvollsten: paramilitärisch organisierte Bundeswehrsoldaten und Polizeibeamte, rassistische Ausländerbehörden, sozialchauvinistische Jobcenter, rechtsradikale Präsidenten des Verfassungsschutzes und ihre politischen Entscheider*innen sind ein Teil des Problems. Sie sind am deutschen Nationalismus ausgerichtet. Keine Reform wird diese Ausrichtung ändern. Der deutsche Staat als solcher ist der völkischen Ideologie anhängig und muss von uns bekämpft werden.

 

Durch die Markierung der Parteizentralen machen wir darauf aufmerksam, dass wir als radikale linke Gruppe den Kampf gegen die AfD nicht länger auf eine Partei beschränken können. Wir rufen dazu auf, besonders CDU und FDP in den Fokus antifaschistischer Aktionen und radikal linker Kritik zu rücken. Entgegen der aktuell anhaltenden medialen Berichte, in denen sich FDPler*innen als Opfer von antifaschistischen Aktionen inszenieren, wollen wir zudem deutlich machen: Sie sind keine Opfer, sondern Täter*innen! Schon der Blick darauf, wie viele Nazis seit dem Sieg der Allierten über den Nationalsozialismus in der FDP untergekommen sind, zeigt, dass die Opferrolle der FDP vor allem darauf abzielt Repressionen gegen Linke zu forcieren. Die Manifestierung des Kapitalismus und des bürgerlichen Staates im Postnazismus durch die staatstragenden Parteien wie die FDP, produziert jeden Tag Tod und Gewalt: Ob durch Kapitalakkumulation entstehende ausbeuterische Lieferketten in der Textilproduktion, repressive Hartz-Gesetze, Polizeibeamte, die Migrant*innen und psychisch Erkrankte ermorden, durch rechte Terroristen, die vom Verfassungsschutz finanziert Anschläge begehen oder durch die Unterstützung von islamistischen Staatspräsidenten, die alle Ansätze von emanzipatorischen Projekten im Nahen Osten in einem ethnischen Säuberungskrieg beseitigen wollen. Unsere Aktionen sind eine Reaktion auf diese Taten. Wenn Gewalt kein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung sein darf, warum wird sie dann jeden Tag vom deutschen Staat eingesetzt, um politische Interessen im Sinne von Kapital und bürgerlichem Staat durchzusetzen?

Wir sagen deshalb: Get Organized – Support Your Local Antifa-Group – der Staat ist Teil des Problems!

Fotoquelle: Infozentrale (www.twitter.com/infozentrale)