Rückblick: Kundgebung in Neumühl am 8. Mai 2015


Das 70-Jährige Jubiläum des Sieges der Alliierten über Deutschland missbrauchte die rassistische Partei „Pro NRW“ in diesem Jahr für eine ihrer Kundgebungs-Tourneen unter dem Titel „Frühlingsoffensive gegen Asylmissbrauch“. Diese fand ihren finalen Kundgebungsort für diesen Tag in Duisburg-Neumühl. Nachdem ihrer vorausgegangenen Kundgebung in Düsseldorf-Kaiserswerth lediglich 20 Sympathisantin*innen beiwohnten, konnte die Partei auf dem Hohenzollernplatz auf eine breite Unterstützung der Neumühler Bevölkerung hoffen, hatte man doch hier in den Vorjahren schon einige Erfolge in der Agitation gegen das Landesasyl „St. Barbara“ einfahren können. Und so fand sich auch am vergangenen Freitag an der Seite der organisierten Hetzer*innen eine Ansammlung aus ca. 80 Personen ein (welche in der öffentlichen Diskussion meist als „Besorgte Bürger*innen“ kategorisiert werden würden) um ihren Ressentiments freien Lauf zu lassen. Dass solche Anlässe für die Einwohner*innen von Neumühl lediglich ein willkommenes Vehikel dafür sind, ihren Rassismus öffentlich zu artikulieren, hat die Vergangenheit eindrucksvoll gezeigt.

Die „tolerante und offene“ Duisburger „Zivilgesellschaft“ aus Parteien, Kirchen und Gewerkschaften, sowie politischen Würdenträgern glänzte am 8. Mai erneut durch ihre Abwesenheit und ließ, trotz ihrer immer gleichen Beteuerungen, dass diese Stadt keinen Platz für Rassist*innen habe, eben genau diese am Freitag in unmittelbarer Nähe einer Geflüchtetenunterkunft gewähren. Jedoch fanden sich auf der Gegenkundgebung des Duisburger Flüchtlingsrates einige Antifaschist*innen und weitere Gegendemonstrant*innen am Kundgebungsort ein, um sowohl den Pro-NRW Mitgliedern als auch den Neumühler*innen selbst verständlich zu machen, dass ihre Widerlichkeiten und der vorherrschende Konsens dieses Stadtteils auch in Zukunft keine Duldung erfahren werden. Auch wir beteiligten uns als Gruppe an der Kundgebung des Flüchtlingsrates und hielten zu diesem Anlass folgenden Redebeitrag:

Wutbürger*innen und Stadtpolitik entgegentreten

Heute demonstriert die rechte Kleinstpartei proNRW hier in Duisburg in unmittelbarer Nähe zur Geflüchtetenunterkunft in der ehemaligen St. Babara Klinik.
Leider stellt diese Kundgebung keinerlei Besonderheit dar. Laut einer Erhebung der Amadeu-Antonio-Stiftung und Pro Asyl fanden im Jahr 2014 im Durchschnitt beinahe täglich Demonstrationen oder Kundgebungen in der Nähe von Geflüchtetenunterkünften statt. Solche Veranstaltungen stellen immer eine Bedrohung für die Geflüchteten dar, ganz gleich, wie bürgerlich die Rassist*innen sich geben. So hat sich z.B die Gewalt gegenüber Geflüchteten, ihren Unterkünften und Personen, die mit ihnen in Verbindung gebracht werden, seit den ersten PEGIDA-Demonstrationen im Herbst 2014 verdoppelt.
Sicher gehen viele dieser Straftaten auf das Konto von organisierten Rechtsextremist*innen, wie die jüngst bekannt gewordenen Taten der „Legion 47“ in Duisburg zeigen.
Doch auch viele Bürger*innen sehen sich durch die Stimmungsmache gegen Geflüchtete zu Straftaten motiviert. Deshalb soll unser Schwerpunkt heute nicht auf den organisierten Rechten liegen, die sich meist nur als Trittbrettfahrer im verzweifelten Kampf gegen ihre Bedeutungslosigkeit an der jeweiligen Stimmungsmache beteiligen. Die rassistische Hetze bestimmen vielmehr die sogenannten „besorgten Bürger*innen“ und die hiesige Stadtpolitik:
Ganz offen und unter Klarnamen greifen die Rassist*innen aus der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft im Internet Geflüchtete an. Anfang diesen Jahres wurde in sozialen Netzwerken mehrfach damit gedroht, die ehemalige Hauptschule in Neuenkamp, die ebenfalls zu einer Geflüchtetenunterkunft umgebaut werden soll, einzureißen, zu besetzen, zu sprengen, oder Geflüchtete in Walsum mit Gewalt zu empfangen.
Rassismen sind in Duisburg allerdings kein reines Internetphänomen: Noch gefährlicher zeigt sich der rassistische Mob, wenn Geflüchtete in der unmittelbaren Nachbarschaft untergebracht werden sollen. Immer wieder eskaliert es dann auf Duisburgs Straßen: 2013 gelang es ihnen die Stadtverwaltung einzuschüchtern und den Umbau der St. Babara Klinik vorerst zu verhindern.
In Rheinhausen kam es zu antiziganistischen Gewalttaten gegen die Bewohner*innen der Häuser „In den Peschen“. Hier in Neumühl musste eine Informationsveranstaltung abgebrochen werden, nachdem ein aufgebrachter Mob versucht hatte den Saal zu stürmen. Und auch an der Wahlurne zeigt sich die hässliche Fratze der Duisburger Stadtgesellschaft: Bei der Ratswahl letzten Jahres erhielten rechte Parteien hier in Neumühl über 10 Prozent der Stimmen.
Wenn man eben diesen Mob als „besorgte Anwohner*innen“ beschreibt, wie Politik und Presse es gerne tun, dann leugnet man ihre rassistische, sozialchauvinistische, gewalttätige Komponente.
Die Duisburger Stadtpolitik, allen voran der Oberbürgermeister sind nicht geneigt diesen Rassist*innen zu widersprechen. Für Sören Link sind Zugewanderte aus Osteuropa Schuld an den rassistischen Ausfällen seiner Bürger. Ihm kommt der Hass der Duisburger*innen nur gelegen. Schließlich lassen sich so schnell Kürzungen für eine Bibliothek mit Ausgaben für Geflüchtete erklären und die eigenen Fehler aus dem Fokus schaffen. Zuletzt forderte er in zusammen mit anderen Oberbürgermeister*innen des Ruhrgebiets in einem Brief an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Einzelfallprüfungen abzuschaffen um auch Kranke, Alte und Alleinerziehende abzuschieben zu könenn.
Duisburger Bürger*innen, die Geflüchteten bestenfalls gleichgültig gegenüberstehen, werden sich niemals für bessere Unterbringung, gegen Abschiebungen und die menschenfeindlichen Außengrenzen der EU einsetzen und handeln somit völlig teilnahmslos und somit im Sinne der Duisburger Stadtpolitik.
Wir sind gegen jeden Rassismus, ob in der Nachbarschaft, im Internet, auf Ratsebene oder an den Außengrenzen Europas.
Und darum stehen wir hier nicht um ein vermeintlich buntes Duisburg zu repräsentieren, sondern um unsere klare Ablehnung gegen diese gesellschaftlichen Zustände zum Ausdruck zu bringen!
Für eine solidarische und antirassistische Gesellschaft!

Einen weiteren lesenswerten Bericht veröffentlichte auch die WAZ.